Wenn Zeitreise altert

Wenn Zeitreise altert

So ironisch es sich anhört: Zeitreiseromane können schlecht altern.

Connie Willis „Die Jahre des schwarzen Todes“ sind so ein schlecht gealtertes Exemplar. Erschienen Anfang der 90er, habe ich es durch Zufall vor ein paar Wochen entdeckt. Der Zufall hieß in dem Fall „Licht“ bzw. „Dunkelheit“ und ist auch ein von ihr geschriebener Roman. Dank des großartigen, informativen Klappentextes meines „Lieblings“ SciFi-Verlags Heyne, habe ich gedacht, dass Licht und Dunkelheit ein in sich geschlossener Doppelroman sind. Nachdem ich die ersten Seiten gelesen hatte, wurde mir aber schnell klar, dass das nicht sein kann. Die Figuren redeten über Sachen, die so sicher nicht noch erklärt werden und haben allgemein das Gefühl vermittelt, dass da schon vorher was gewesen sein muss.

Also rein ins Internet und geschaut. Aha… Das ist der dritte Band einer Trilogie. Gut zu wissen. Also fangen wir vorne an. Mit „Die Jahre des schwarzen Todes“. Danke an der Stelle an die Übersetzungsabteilung von Heyne für den äußerst subtilen Spoiler schon im Titel.

Wir schreiben das Jahr 2054 und die Menschheit kann Menschen in die Vergangenheit schicken. So dass sie nichts verändern, weil das durch Wibbly-Wobbly-Timey-Wimey-Technik verhindert wird. Also schickt man eine Historikerin ins Jahr 1320 um das Mittelalter zu studieren. Dummerweise nimmt sie die Grippe der Gegenwart mit und reißt auch gleich noch den Techniker rein, der „Das Netz“, so der Name der Zeitmaschine, bedient. In der Folge wird ganz Oxford unter Quarantäne gestellt.

Soweit so gut. Die Menschheit kann also Zeitreisen, hat einen Babelfisch erfunden der im Hirn simultan übersetzt, aber die Erfindung des mobilen Telefons wurde übersprungen. Klar, das Buch ist 1992 erschienen, aber da hat die Telekom in Deutschland schon angefangen das D1-Netz aufzubauen. Star Trek kannte schon in diversen Formen den Kommunikator. Nur bei Frau Willis sitzen die Hauptpersonen vor einem schnurgebundenen Bildtelefon und können sich leider auch keinen Anrufbeantwortert leisten. Also muss immer jemand am Telefon bleiben. Das mag Anfang der 90er so gewesen sein, für einen Sci-Fi-Roman wird das aber auf die Dauer lästig. Auch sonst scheint sich technologisch nicht viel getan zu haben. Bis der Impfstoff da ist, scheint es Tage zu dauern. Oder es ist das Gefühl des Lesers, dass es Tage dauert, weil Frau Willis sehr repetetiv schreibt. Wer’s beim ersten Mal nicht gleich gerafft hat, der hat noch ne Chance. Oder auch noch eine… So kommt man am Ende auch auf über 800 Seiten.

Genauso scheint sie einen Hang zu sehr flachen Charakteren zu haben. Ans Herz gewachsen ist mir da keiner. Außer vielleicht der Neffe der Ärztin. Der Rest schien entweder schwer von Begriff zu sein, nur eine Platte zu kennen oder einfach nur endsnervig zu sein. Letzteres in beiden Zeitlinien. In der Zukunft war das die überfürsorgliche religiöse Mutter und die nervenden amerikanischen Glockenspielerinnen und in der Vergangenheit die kleinste Tochter, deren modernes Gegenstück wohl ein antiautoritäres Bindestrich-Kind wäre, das in aller Ruhe das Regal ausräumt während Mama daneben steht und sagt, dass sie das jetzt nicht gut findet.

Abgeschreckt von so viel argh-Gefühl bin ich ernsthaft am zweifeln, ob ich überhaupt mit den anderen beiden Bänden noch anfangen soll.

Achja, der Spoiler, da Heyne es mal wieder sauber verbockt hat aus „Doomsday-Book“ „Die Jahre es schwarzen Todes zu machen“ kann ich es ja sagen: Da war die Luft schon beim Titel raus. Gefühlte dreißig Mal wurde darauf rumgeritten, dass Kivrin (so heißt die Historikerin) ja im Jahr 1320 und damit 28 Jahre vor der großen Pestepedemie gelandet ist… Als der Techniker dann im Delirium dann was von Ratten murmelt… Naja, den Rest kann sich jeder denken. So versaut man auf jeden Fall sauber den großen Plot-Twist schon im Titel.

Empfehlung? Nein, ganz klar nicht. Lest lieber was spannendes oder sinnvolles. Aber nicht dieses Buch.

 

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