Zu viel oder zu wenig?

Tilman hat es mal wieder geschafft mich zum nachdenken zu bringen. Ausnahmsweise wirklich nur zum scharfen nachdenken ohne dass ich gleich eine scharfe Kontra-Position einnehmen musste.

Er hat auf Facebook eine Frage von Quora gepostet in der es, grob zusammengefasst, darum ging ob Programmierer, trotz der großen Abhängigkeit die man heute von ihnen hat, zu viel verdienen.

Die Frage

Erstmal finde ich dir Frage ob jemand verdient so viel Geld zu verdienen in den meisten Fällen ziemlich sinnfrei und auch ein bisschen langweilig. Gerade in Deutschland, im Land der Neider und Zänker, setzt man sich mit sowas sehr schnell in die Nesseln. Auch wenn es um anderen quantifizierbaren Erfolg geht. Seien es nun Follower, Fans oder was auch immer. Nenn Zahlen und du bist ein Arsch.

Aber das war ja erstmal nicht der Kern der Frage. Die war nämlich genau so gestellt und zwar ohne dass sie „zu viel“ irgendwie quantifiziert hat. Natürlich legt irgendwer jedes Jahr eine Statistik vor, die sagt, dass das Durchschnittsgehalt eines ITlers so und so hoch sein muss, aber ich bin auch jedes Jahr davon überzeugt, dass das irgendwie nicht ganz der Realität entspricht.

Ja, ich verdiene mit dem erstellen von Software mein Geld. Gefühlt würde ich von mir aus sagen, dass ich ganz okay damit verdiene. Natürlich ist mehr immer mehr, aber ich bin auch realistisch genug zu wissen, dass mehr vor allem mehr für den Staat bedeutet.  Und damit bin ich nicht alleine…

Umso mehr hat mir diese Woche eine Artikel aus dem Java-Magazin aus dem Herzen gesprochen, der all die Dinge aufgezählt hat, die einen Entwickler unglücklich machen. Ja, Meetings und Telefonkonferenzen gehören dazu.

Aber ich schweife ab…

Der „Programmierer“

Der nächste gedankliche Fehler des Fragestellers war, dass es „Den Programmierer“ schlicht nicht gibt. Die Bandbreite reicht von denen, den man alle haarklein vorkauen muss damit sie ein Stück Software entwickeln können (oder manchmal auch nicht…) bis zu denen, denen man nur sagt, dass sie von A nach B kommen müssen. Den Weg dazwischen finden sie schon selber.

Gefühlt gibt es von den einen zu viele und von den anderen viel zu wenige. Was auch der Grund ist, warum gerade die, die mehr können als nur stur nach Schema F zu programmieren, händeringend gesucht werden. Meistens ist das aber wie mit Beziehungen: Die Guten sind meistens schon vergeben. Die t3n hat in ihrer aktuellen Ausgabe dazu einen interessanten Beitrag zum Thema Recruting. Und wie überall im Leben kostet Qualität eben Geld. Wenn mir jemand einen dicken Batzen Geld anbietet, warum soll ich ihn nicht nehmen? Angebot und Nachfrage regeln auch hier den Preis.

Ich spreche übrigens an der Stelle nicht von den abgespaceten Hardcore-Freaks, die jedes noch so kleine Framework in ihre Einzelteile zerlegen und optimieren. Aus meiner Sicht sind solche Leute in einem produktiven Umfeld eher hinderlich, wenn es darum geht in einer angemessenen Zeit mit angemessenen Mitteln von A nach B zu kommen. Wenn es das Framework in der aktuellen Art tut, dann ist es gut. Dass ich ggf. noch an einer Stelle eine oder zwei Nanosekunden rauskitzeln kann ist geschenkt. Aber das ist nur meine Einstellung. Aus meiner Erfahrung sind solche Leute auch nur eingeschränkt Team-brauchbar und damit weit weg vom heutigen Idealbild des DevOps.

Ähnlich verhält es sich ja auch in anderen Bereichen. Tilman hat den Krankenhaus-Sektor ins Feld geführt. Natürlich finde ich, dass Heil- und Pflegepersonal für die Arbeit die sie machen hoffnungslos unterbezahlt sind. Bei den Ärzten sieht die Sache ähnlich aus. Kein Zahnarzt würde je sagen, dass er gegenüber einem Notfall-Mediziner zu viel verdient. Im Gegenteil: Auch da wird er Argumente finden, warum er verdient so viel Geld verdient, auch wenn es auf seinem Stuhl eher selten um Leben und Tod geht.

Anstrengend und anspruchsvoll

Natürlich muss auch niemand sterben, wenn eine Spiele-App nicht läuft (also nicht im echten Sinn…), was aber nicht heißt dass die Spiele-App nicht anspruchsvoll ist. Um aber auf das Thema des „Es geht um Leben und Tod“ zurück zu kommen und die Verantwortung: Das sehe ich gespalten.

Beispiel 1 Autonomes Fahren

Autonomes Fahren wird mehr und mehr eine Sache, die in greifbare Nähe rückt. Damit rückt auch die Software in einen Bereich, bei dem es sehr wohl um Leben und Tod geht. Letztlich wird durch die (hoffentlich funktionierenden) Algorithmen der Software nicht nur schon heute das Bremssystem gesteuert, sondern die Logik wird in Zukunft wahrscheinlich noch mehr Entscheidungen treffen. Zum Beispiel ob zur Vermeidung eines Auffahrunfalls lieber der Smart abgeräumt wird, weil den eigenen Insassen nichts passiert oder ob das Auto zur Vermeidung des Unfalls dann lieber in ein massives Hindernis ausweicht um die unschuldigen Personen im Smart zu schützen.

Ähnliche ethische Entscheidungen sind auch bei Fußgängern zu treffen. Darf eine Logik entscheiden, dass das Leben eines einzelnen weniger Wert ist, wenn die einzige Alternativ darin besteht, in eine Gruppe von Fußgängern auszuweichen?

Beispiel 2 Fliegen

Genau wie Autos sind Flugzeuge heute vollgestopft mit Computern. Wie man am A 400 M sieht, geht nicht mal das Triebwerk richtig, wenn die Software nicht will. Gleichzeitig argumentieren Piloten aber immer wieder damit, dass sie ja eine hohe Verantwortung tragen, wenn sie ein Flugzeug fliegen und rechtfertigen damit ihr hohes Gehalt. Was sagt dass dann über die Entwickler der Software aus? Aus meiner Sicht, sehr überspitzt formuliert, ist der Pilot nur noch der Bediener eines Computers. Ich könnte mir gut vorstellen, so gruselig das sein mag, dass so ein Ding auch ohne Pilot sicher starten und landen würde. Ich glaube, für Kampfjets, die auf Trägern landen müssen ist so eine Fernsteuerung sogar vorgeschrieben, falls der Pilot es nicht gebacken bekommt zu landen. Wer hat dann also die größere Verantwortung? Der Pilot, der eine Maschine fliegt oder die Entwickler, die dafür sorgen müssen, dass hunderte Maschinen mit ihrer Software fliegen, alle wenn und aber hoffentlich bedacht und auch getestet haben?

Ich kann an der Stelle nur sagen, dass sich schon wegen weit weniger vor Rollouts nachts aufgewacht bin und mir gedacht habe „Verdammt… Da hast du nen Fehler gemacht“. Und da ging es dann „nur“ um Geld.

Und in den beiden oberen Fällen möchte glaube ich niemand, dass das jemand macht, der billig war. Echt nicht…

Der Entwickler als Handwerker

Letztlich muss man heute wohl eines einsehen: Ein Programmierer ist nichts anderes als ein digitaler Handwerker. Eingedampft aufs wesentliche dürfte das meiste meiner Software die ich bis jetzt geschrieben habe, eine mehr oder weniger kunstvolle Ansammlung und Verknüpfung von ifs, whiles und fors sein. Nicht mehr und nicht weniger.

Auch alle anderen kochen am Ende mit Wasser. Bei den einen ist es eben ganz okay und bei den anderen ein echter Genuss.

Und das Fazit?

Tja, was ist mein Fazit. Im Grunde keins, weil sich die Frage so nicht beantworten lässt. Eigentlich sollte jeder das bekommen was er verdient. Wenn ich gute Arbeit leiste, dann will ich dafür gut be- oder entlohnt werden. Ob das in den Augen der anderen jetzt viel oder weniger ist, ist erstmal einerlei. Irgendwem war meine Arbeit das wert und Neider gibt es überall.

Am Ende des Tages gibt es immer einen der mehr verdient. Aber was soll’s…

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