Trollhunters vs. Trollhunters

Trollhunters vs. Trollhunters

Ich bin mal wieder beim Lieblingsbuchhändler über das Buch gestolpert. Del Toro hat ein Jugendbuch (mit)geschrieben. Ja, genau der del Toro, der für so fantastische Jugendfilme verantwortlich ist wie Pans Labyrinth, Mimic, Blade II und zwei Hellboy-Filme. Oder zuletzt das sehr blutarme Crimson Peak.

Da treffen in meinem Kopf Welten aufeinander. Also ist das Buch erstmal auf meine Wunschliste und Weihnachten unter den Baum gewandert. Zeitgleich gab es ab 23.12. bei Netflix dann eine Serie dazu.In einer ersten Reflexhandlung würde ich sagen: Beides parallel geht gar nicht, ging aber doch sehr gut.

Die Ausgangslage

Man sollte ja meinen, dass Buch und Serie sich zumindest der gleichen Ausgangslage bedienen. Wenn schon im Vorspann steht dass die Serie auf dem Buch basiert und del Toro auch noch der Produzent ist. Schauen wir also mal…

Das Buch

Protagonist Jim Sturges jr. wohnt mit seinem Vater in San Bernadino in Kalifornien. Der Bruder seines Vaters ist in den 60ern wähnrend der großen Milchkartonepedemie als letztes von vielen Kindern verschwunden. Seitdem wohnen die beiden in einem Hochsicherheitsbunker, aus dem Jims Mutter irgendwann verschwunden ist. Sein einziger Kumpel ist Tobias ‚Tub‘ Dershowitz, ein etwas kräftigerer Typ der scheinbar sonst auch keine Freunde hat. Die beiden werden regelmäßig von Steve, dem Sport-Ass terrorisiert und finden sich entsprechenden im Schrank wieder. Jim steht ein bisschen auf Claire, die den Charme einer Rebellenanführerin verbreitet und nicht aus San Bernadino ist. Von der fantastischen Seite kommen noch ARRRGH! (mit drei R!) und Blinky dazu. ARRRGH! ist eine Trollkriegerin mit einem Stein im Schädel als Andenken aus dem letzten Trollkrieg. Blinky ist ein cthulhueskes, mehr oder weniger blindes, Spaghetti-Monster. Dazu kommt noch jemand, aber das wäre ein Spoiler und da verzichte ich mal drauf. Achja, und auf der Seite der Bösen gibt es noch Gunmar. Einen fiesen Obertroll, der gerne wieder an die Herrschaft würde.

Die Serie

Protagonist Jim wohnt mit seiner Mutter in Arcadia. Wo der Vater ist, wird nie so richtig erwähnt, es hängt aber ein Bild in Militäruniform an der Wand. Sein einziger Kumpel ist Tobias ‚Tub‘ Dershowitz, ein etwas kräftigerer, dümmlicher Typ der scheinbar sonst auch keine Freunde hat. Die beiden werden regelmäßig von Stefan (Ein Hoch auf tolle Übersetzungen), dem Sport-Ass terrorisiert und finden sich entsprechenden im Schrank wieder. Jim steht ein bisschen auf Klara die scheinbar total auf Shakespears steht und die ganze Serie mit einem Hamlet-Shirt durch die Gegend läuft. Neu kann sie an der Schule nicht sein, da sie mit zwei beliebten Mädels sehr gut seit Jahren befreundet ist. Von der fantastischen Seite kommen noch ARRRGH! (mit drei R!) und Blinky dazu. ARRRGH! ist ein Trollkrieger der früher für Gunmar gekämpft hat. Blinky ist ein vierarmiger, sechsäugiger Trainer von erfolglosen Trolljägern.

Achja, und auf der Seite der Bösen gibt es noch Gunmar. Einen fiesen Obertroll, der gerne wieder an die Herrschaft würde. Dabei wird er von seinem Sohn Draal und dem Gestaltwandler Mr. Strickler unterstützt, der gleichzeitig Lehrer an Jims Schule ist.

Man hat also aus dem Buch außer den Namen so ziemlich gar nichts übernommen und stattdessen mal kräftig durchgewirbelt.

Dazu kommt die Ausgangslage: Serien-Jim wird vom Amulett des gerade im Sonnenlicht zersprungenen Trolljägers gefunden und hat danach Mächte, die mich ein bisschen an He-Man erinnert haben. Buch-Jim ist einfach ein Junge der als einzigen Bonus ein Amulett bekommt, das die Trollsprache übersetzt. Mehr nicht. Alles andere muss er ohne die Macht von Greyskull hinbekommen.

Auch einen gewaltigen Unterschied hat für mich die Figur des Tub gemacht. Im Buch ist er ein normaler Typ der halt nicht ins Raster passt aber sonst nicht auf den Kopf gefallen ist. In der Serie ist davon nicht viel übrig geblieben und er verkommt zum dümmlichen, tolpatschigen, dicklichen Sidekick, der, zumindest mir, ziemlich schnell auf die Nerven gegangen ist.

Der Spannungsbogen

Wichtig ist ja aber im Grunde das was drin steckt. Das Buch hat sich in der deutschen Fassung dafür 415 Seiten Zeit gegeben, was eigentlich okay ist. Oder eben wäre, denn die Einführung der Personen dauert ungefähr zwei Drittel des Buches, bevor die eigentliche Handlung dann mal in Fahrt kommt. Entsprechend kommt die eigentlichliche Handlung und das Ende mal wieder rüber als wäre das Essen auf dem Herd angebrannt. Es wird relativ schnell erzählt und am Ende bleiben noch ein paar Fragen offen. Das kann natürlich auch auf einen zweiten Band hindeuten, ich habe aber keine Ahnung ob es einen geben wird oder ob das eine abgeschlossene Geschichte ist.

Netflix gibt der Serie in der ersten Staffel 26 Folgen Zeit sich zu entfalten. Leider ist Anton Yelchin, die Stimme von Jim, im Sommer von seinem eigenen Auto überfahren worden. Sollte es eine zweite Staffel geben, müsste man hier also jemand neues finden. Die 26 existierenden Folgen sind vom Gefühl her auch eher zwei kleine Staffeln, da es bereits Folge 13 einen großen Endkampf gibt. Die zweite Hälfte beschäftigt sich dann mit einem Nebenschauplatz, den es im Buch so wieder gar nicht gab, mit einem Gegner den es im Buch so auch nicht gab. Bitte nicht falsch verstehen, es ist nicht schlecht, aber wieder gilt das gleiche wie bei den Personen: Da wurde, aus welchen Gründen auch immer, einiges auf Links gedreht. Fertig wird man in den 26 Folgen nicht, es sollte also eine zweite Staffel geben.

Vom Stil her war ich am Anfang nicht so begeistert von der Serie. Dieses Computer-animierte Pseudo-3D Serien-Zeug liegt mir einfach nicht. Ich bin da ein ein Verfechter klassischer 2D-Cartoons wie Simpsons, Futurama und Family Guy.

Querverweise

So sehr man die Serie auch in den Mixer gesteckt hat, ist es doch spannend zu sehen, wie viele Dinge in der Serie auftauchen, die dort gar nicht erklärt werden. So ist auf jeder Milchpackung das Gesicht eines Jugendlichen zu sehen. Kinder werden aber in der Serie gar nicht entführt im Gegensatz zum Buch sondern nur unbemerkt ausgetauscht. Das immer mal wieder prominent ins Bild zu schieben macht also gar keinen Sinn. Und die Sache mit den Fernsehern. Die Trolle haben jede Menge Fernseher in Trollmarkt. Warum? Naja, wenn man das Buch liest, weiß man, dass die Trolle total auf Störbilder abfahren und es eine beruhigende Wirkung auf sie hat. In der Serie kommt das gar nicht vor.

And the winner is…

Es gibt keinen. Die Serie ist, was sie als Label von Netflix verspricht: Kindgerecht. Da passiert nichts grausam schreckliches sondern es bewegt sich auf einem humanen Niveau. 200 verschwundene und durch den Fleischwolf gedrehte Kinder wären wahrscheinlich verstörend und Kinder würden Brücken mit ganz anderen Augen sehen. Und ihren Schrank. Und das Bett. Man merkt, dass das Buch einen viel finstereren Ton anschlägt, der mir persönlich viel besser gefällt und auch besser zu den nordischen Trollsagen passt als die Serie. Es bleibt also nur übrig, dass es ein bisschen Ettikettenschwindel ist, dass beides als Trollhunters verkauft wird, aber miteinander inhaltlich nur sehr sehr sehr wenig gemein hat. Gerade vom Buch hätte ich mir am Ende einfach nochmal 100 Seiten mehr gewünscht um die restlichen offenen Fragen aufzulösen, die sogar im Buch schon sehr explizit benannt werden.

Trollhunters
del Toro, Kraus

Heyne Verlag 2016
415 Seiten (Hardcover)
14,99 €
ISBN: 9783453270497

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