Sensetionell: Nachschulung

Manchmal weiß man nicht so recht, wo er sich eigentlich rumtreibt. Aber dann kommt doch wieder eine Nachricht von ihm. Und die will ich hier natürlich niemandem vorenthalten…

Hallo? Erinnern Sie sich an mich?

Ja, es gibt mich noch. Die Dame vom Ministerium hat mich nicht irgendwo in die abscheulichste Ecke der Hölle verbannt, wo ich mit einer orangenen Weste Müll aufsammeln muss, den meine Seelen haben fallen lassen.

Nein, es hat mich viel schlimmer getroffen. Und bevor Sie jetzt einwerfen, dass es einen gar nicht schlimmer treffen kann: OH DOCH! Sie kennen die Dame vom Ministerium nicht. Das Einfrieren vom letzten Treffen war dagegen eine Aufwärmübung. Alles was danach kommen sollte, war noch viel schlimmer. So schlimm, dass man es gar nicht in Worte fassen kann!

Ich wünsche Ihnen deshalb noch einen schönen Abend!

 

Ich sehe Sie sind immer noch da! Sie gehören wohl zu den ganz Harten! Denen, denen es so vor gar nichts graust. Ja, von denen habe ich hier unten auch ein paar… Besonders solche, die eigentlich noch gar nicht geplant waren. Und somit der Grund sind, dass ich jetzt hier zu einer Sonderschicht verdonnert bin.

Die Sonderschicht trug den klangvollen Namen „Nachschulung“ und vor der Tür des Schulungsraums wartete schon alles was Sie sich an Abschaum und Versagern der Unter- und Sagenwelt so vorstellen können: Heulende Trolle, Geister, bunt geschminkte Dämonen (Ich glaube, es war wirklich ein Clown darunter, der sich einfach nur verlaufen hatte und dachte, dass das hier sein Wanderzirkus sei) und ein paar andere Gestalten, die aussahen als wären sie eine bunte Mischung dessen was ich schon aufgezählt hatte.

Und auch wenn ich sonst immer einer der Ersten bin, die von irgendwas Wind bekommen, diesmal war ich der Letzten. In der Unterwelt einen Parkplatz zu finden ist echt die Hölle. Ich stand direkt am Styx und konnte nur hoffen dass mich keiner abschleppt oder am Ende ein paar Rowdies das Reapymobil im Fluss versenken.

Ich schwebte also möglichst majestätisch um die Ecke, immerhin Mitarbeiter des Monats, und mit einem Schlag hörte das Geschnatter und Geheule auf. Ja, welch Eindruck es doch auf solche Kleingeister hinterlässt wenn ich um die Ecke komme. Ich DER TOD! Mitarbeiter des Monats…

Leider war ich an diesem Zustand aber gar nicht Schuld. Das wahre Grauen hatte sich hinter mir formiert. Zwar nur eine Ein-Frau-Armee, aber scheinbar war ich nicht der Einzige, der da eine unheilvolle Begegnung mit einer gewissen Dame hatte. Zumindest weiß ich jetzt, wie schnell ein Höllenhund eine dicke Daunenjacke anziehen kann.

Bevor man uns aber allesamt in den Schulungsraum gelassen hat, wurden jeder noch einzeln durchsucht. Und ich sage Ihnen, der Golem hatte Spaß dabei!

„Waffen oder gefährliche Gegenstände? Schnürsenkel? Stricke? Eiserne Jungfrauen?“

„Nee, eigentlich nicht“ fing ich an zu argumentieren „Was ich dabei habe, also meine Sense und meine Feder, würde ich eher als ‚Werkzeug‘ bezeichnen. Und ‚gefährlich‘ ist ja nun ein dehnbarer Begriff, das kommt immer drauf an…“
Weiter kam ich nicht, weil mir Sense und Feder einfach so mal schnell aus der Hand gerissen wurden.  Dass die Sanduhr, die er entdeckte, und zu der ich in meiner Argumentationskette gar nicht mehr kam, mit meiner Hand verbunden war, wusste er auch erst als er beides in der Hand hatte. Sozusagen Hand in Hand.

Ich kam mir regelrecht nackt vor. So ganz ohne mein Spielzeug. Aber irgendeinen Grund würde es schon haben… hoffte ich zumindest. Beim hoffen musste es auch nicht lang bleiben, denn ein weich gepolsterter Schulungsraum ohne Tische mit Sitzsäcken war mir bisher noch nicht untergekommen. Mich beschlich so langsam das Gefühl, dass das hier schlimm werden würde. So schlimm dass man damit rechnen musste, dass sich der eine oder andere Teilnehmer wohl lieber selber versuchen würde umzubringen, als einen Moment länger in diesem Raum zu bleiben. Verständlich. Die Blutflecken passten schließlich so ganz und gar nicht zur weißen Wandverkleidung aus Polster. Banausen.

Irgendwie musste mir mein Ruf doch vorausgeeilt sein. Denn die anderen Teilnehmer sahen mich jetzt doch ein bisschen schockiert an und rückten augenblicklich ein Stück weg. Nein, ich schreibe nicht ab. Verräter…

Ich konnte auch nur Bruchstücke des leisen Getuschels verstehen: „Der lebt noch?“ „Ist das wirklich DER?“ „Der soll ja ganz schön heftige Sachen gemacht haben…“

„Ja, die Gerüchte über mich sind wahr. Dass ich noch lebe ist ein Gerücht und ich verbitte mir das!“

„RUHE“ brüllte es von vorne und schon wurden wir wieder alle gefrostet. Na toll, Gruppenbestrafung… „Aber die anderen haben…“ weiter kam ich mal wieder nicht. Wenn mich doch endlich mal jemand ausreden lassen würde.

„Sie können sich alle glücklich schätzen! Sie wurden als erste Kandidaten für unser neues Kundenbefragungsprojekt ausgewählt! In letzter Zeit standen wir nicht so gut da und um das zu verbessern, dürfen Sie nun Ihre Kunden nach der Meinung befragen. Extra dafür haben wir also diese Schulung heute…“

Irgendwie scheint das mit den Unterbrechungen so ein Running Gag in der Unterwelt zu sein. Der Verursacher jetzt, gab nur ein leises Röcheln von sich. Ein Dämon aus der dritten Reihe hatte nach den ersten paar Worten schon die Besinnung verloren und sich auf seinen Sitzsack gestürzt in der Hoffnung dass er daran zu Grunde gehen würde.

Tat er nicht… aber ich werde das nachholen. Denn aus diesem Grund durfte der ganze Kurs danach auf dem Boden sitzen. Ohne Sitzsack!

Hätte mich ja auch mal einer fragen können. Immerhin bin ich vom Fach. Ich hätte ihm dann Hoffnung gemacht und dann hängen lassen. Also nicht wirklich. Sie verstehen schon. Ich hatte ja nichts dabei. Aber den Spaß, die Hoffnung in seinen Augen aufflammen zu sehen hätte ich mir schon gegönnt. Immerhin etwas in dieser trost- und jetzt auch sitzsacklosen Umgebung.

Die nächsten Stunden vergingen dann eher wie Kaugummi am Kuttenrand. Die Dame vom Ministerium ließ sich von Nichts und Niemandem beirren in ihrem Redeschwall. Nicht einmal als der Troll in der ersten Reihe ins Koma fiel und auf den Höllenhund hinter ihm. Ich wette, er hat nur dank seiner dicken Daunenjacke überlebt. Der Arme…

Ich sage Ihnen, es wurde einfach nicht besser. Aber irgendwann kam er dann, der erlösende Satz.

„So, das war es dann für heute…“

…aber wir waren ja in der Unterwelt…

„…und ich freu mich, Sie alle in den nächsten Tagen wiederzusehen, wenn wir das Ganze gemeinsam in der Praxis umsetzen“

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