Der WVV laufen die Fahrgäste davon

Es ist schon lustig, wenn man in der Lokalzeitung liest, dass der WVV sprichwörtlich die Fahrgäste davonlaufen und man sich in der Chefetage dort scheinbar so gar nicht erklären kann, wie sowas denn passieren kann. Immerhin hat man ein sattes Minus von 700 000 Fahrgästen zu verbuchen. Damit liegt man in Würzburg genau entgegengesetzt zum bundesweiten Trend.

Dass man sich in der Chefetage einen solchen Rückgang nicht erklären kann, kann ich mir eigentlich nur damit erklären, dass die Damen und Herren dort selber nie den öffentlichen Nahverkehr in Würzburg nutzen.

Mir würden zumindest auf der Stelle ein paar Dinge einfallen, die man im Bus und Bahnverkehr in Würzburg verbessern könnte:

Da wäre zunächst mal das Timing der jährlichen Preiserhöhung. Die kommt immer im August. PR-wirksam zusammen mit dem Ferienfahrplan. Gefühlt heißt das jährlich für alle, die nichts mit Schule oder schulpflichtigen Kindern am Hut haben: Mehr Geld für weniger Leistung. Weniger Busse, weniger Bahnen.

Dazu kommen in den letzten Jahren dann die Katastrophen mit den Baustellen: Elendlange Verzögerungen an der Reuterstraße, abgesoffene Gleise zwischen Dallenbergbad und Steinbachtal, verschobene und verzögerte Arbeiten in der Sanderstraße. Dummerweise besteht Würzburg straßenbahntechnisch nur aus Hauptachsen.

Was man bei sowas nicht angeht ist eine Verschlankung der Anzahl der Straßenbahnhaltestellen. Stehe ich am Ehehaltenhaus, kann ich zwei Haltestellen sehen: Arndtstraße und Eichendorffstraße. Wenn mir die Bahn vor der Nase wegfährt, schaffe ich es normalerweise zu Fuß schneller am Sanderring zu sein (ca. 5 Minuten) als die nächste Bahn. Noch auffälliger ist es an der Löwenbrücke. Dort ist die nächste Haltestelle Ruderzentrum. 350 Meter. Mit Anfahren der Straßenbahn bis zur nächsten Haltestelle: ca. 40 Sekunden! Gefolgt von der nächsten Haltestelle Judenbühlweg 380 Meter weiter. Alles in allem sind auf einer Strecke von 1,3 km zwischen Löwenbrücke und Steinbachtal 4(!) Haltestellen. Und auch wenn die Straßenbahn nicht halten muss, langsam fahren muss sie trotzdem. Einzel- und Härtefall in Würzburg? Nein. Die Petrinistraße in Grombühl ist knapp 700 Meter lang und kann das mit ebenfalls 4 Haltestellen noch toppen. Die Parallelstraße ist nicht besser. Da liegen zwischen den Haltestellen nur knapp über 100 Meter. Die Bahn hält also „Uni-Klinik Bereich D“ dann macht sie den Bogen in die Parallelstraße und hält dann „Uniklinik Bereich B“ (vielleicht 100 Meter Fahrstrecke und 60 Meter Luftlinie) und dann an der Endhaltestelle „Pestalozzistraße“ 130 Meter weiter. Bin ich der einzige der das sinnlos findet? Jeder der Mal SimCity gesehen hat oder Mini-Metro gespielt hat merkt dass das ziemlicher Mist ist. Aber ich höre schon den ewig meckernden Anwohner, dass man diese oder jene Haltestelle dringend brauch. Gerade am Ruderzentrum hat man einen sündteuren Neubau hingestellt, da hat man die Haltestelle wahrscheinlich mitgemietet.

Was daraus natürlich entsteht, sind Fahrzeiten aus der Hölle. Wie meinte ein Kollege nach einer Dienstreise so schön: Die gleiche Zeit, die ich von Fulda nach Würzburg mit dem ICE brauche, brauche ich jetzt nochmal vom Hauptbahnhof bis zum Heuchelhof. Und wir sprechen hier nicht von einer Weltstadt wie Berlin, wo man auch gerne mal ne halbe Stunde oder länger in der U-Bahn sitzt.

Man hat bei der WVV scheinbar auch nicht gemerkt, dass an Samstagen genauso viel oder sogar mehr los ist als an normalen Tagen. Ab 16 Uhr wird es mit der Linien-Dichte dann schon eher dünner. Von den Bussen mal ganz zu schweigen. Hach, was bin ich Samstagvormittags schon mal gerannt, weil ich am Sanderring die einzige Straßenbahn weit und breit knapp verpasst habe und zu einer Prüfung nach Nürnberg musste…

Womit auch sauber der Bogen zu den Bus-Linien gespannt wäre. Als ich vor ein paar Jahren aus Beziehungsgründen noch zwischen unterem Frauenland und Heimgarten gependelt bin, habe ich überrascht festgestellt, dass es da, obwohl ich mich im gleichen Stadtteil bewege, keine Verbindung gibt. Keine Chance. Die gottgebene Bus-Scheide im Frauenland scheint die Rottendorfer Straße zu sein. Nichts passiert diese von Nord nach Süd oder umgekehrt. Da ich mit meinen Ansprüchen nicht repräsentativ bin, habe ich mal einen „Standardfall“ konstruiert. Student wohnt im Studentenwohnheim Barbarastraße und ist regelmäßig am Wittelsbacherplatz zum studieren. Fußweg (laut Google, aber ja das kommt hin…) 18 Minuten. Bus (laut Bahn-App) 35 Minuten aufwärts mit mindestens einmal umsteigen, 6 Minuten Fußweg zur Haltestelle und Sightseeing durch die halbe Stadt inklusive. Der Student läuft also zur Haltestelle Seinsheimer Straße, weil an der Uni selber gibt es keine passende Haltestelle. Dann fährt er mit dem Bus in die Innenstadt zum Theater, steigt dort um und fährt dann mit dem nächsten Bus über den Berliner Ring, Luftlinie 400 Meter von seinem Startpunkt vorbei die Rottendorfer Straße hoch, einmal durch das die ganze Ecke da hinten (weil es da nur Busverkehr in eine Richtung gibt) und ist nach entspannten über 30 Minuten schon da wo er eigentlich nach der Hälfte der Zeit auch zu Fuß gewesen wäre. An der Stelle ist es dann scheinbar durchaus zumutbar, dass man mal mehr als 100 Meter bis zur nächsten Haltestelle läuft. Ist ja auch keine Straßenbahn. So viel zum Irrsinn erst in die Innenstadt zu müssen um 1 km Luftlinie im gleichen Stadtteil hinter sich zu bringen.

Auf den wohlbekannten Fakt „Sardinendose“ auf der Linie 10 geh ich gar nicht ein…

Letztlich bleibt mir als letzter Punkt eigentlich nur noch das Thema „Informationspolitik“. An immer mehr Haltestellen stehen jetzt die digitalen Anzeigen mit Informationen usw. Aber eben nicht an allen der gefühlt hunderten Haltestellen. Passiert jetzt was und es kommt keine Bahn, wird das an den Haltestellen mit Anzeige manchmal eingeblendet. An denen ohne ist man aufgeschmissen und steht bei Regen und Wind dumm rum und hofft einfach dass was kommt. Alternative Informationskanäle wie Twitter oder Facebook? Fehlanzeige. Jahrelang war es auch so, dass man den Ferienfahrplan nur kurz vor knapp bekommen hat. Oder dass man schon wissen musste nach was man suchen muss um zu merken, dass auf Grund von Faschingszügen oder Demonstrationen mit Behinderungen zu rechnen ist.

Und bei all dem wundert man sich bei der WVV warum man weniger Fahrgäste hat? Ernsthaft? Wenn man das alles zusammenzählt, dann hat die WVV aus meiner Sicht mehr als eine Baustelle in der Sanderstraße die dringen geschlossen werden sollte, um wieder ein attraktiver Nahverkehr zu sein. Ich kenne es von Freunden aus echten Großstädten, die gar kein Auto gebraucht haben oder es relativ schnell verkauft haben, weil sie es da eben nicht brauchen. Warum auch? Parkplätze sind eh knapp, das merken wir bei uns in der Straße schon massiv nachdem scheinbar jeder Student heute sein eigenes Auto hat (So viel zu „viele machen keinen Führerschein mehr“). Wenn ich aber mit dem ÖPNV dreimal so lange zur Arbeit brauche wie mit dem Auto, dann überlege ich mir das.

Ich bin nicht so blauäugig, dass ich wirklich dran glaube, dass sich da auf Seiten der WVV was tut. Man wird im August wieder die Preise erhöhen, weil man ja jetzt auch nicht mehr von den Versorgungswerken quersubventioniert wird und alles wird beim alten bleiben. Wichtige Infrastukturprojekte wie die Anbindung des neuen Stadtteils Hubland wird man so lange schieben, oder mit einer dauerhaften Übergangslösung versuchen in den Griff zu bekommen, wie es eben geht. Im Grunde eben, wie alles was man in Würzburg zum Thema Mobilität so anpackt. Gefühlt ist es vielleicht auch gar nicht gewollt die Personen in den Nah- oder Radverkehr zu bringen.

Aber bitte nicht mehr wundern, liebe Chefetage der WVV. Vielleicht wirklich einfach mal ein Jahr lang den frustrierenden Nahverkehr in Würzburg persönlich miterleben. Oder einfach mal SimCity spielen.

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