Stand der Digitalisierung

Stand der Digitalisierung

Es wird Zeit mal wieder über Digitalisierung in Deutschland zu schimpfen. Genauer gesagt über schlechte Digitalisierung. Oder den Stellenwert von Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung. Oder was man halt so generell unter „Digitalisierung“ versteht. Vielleicht ist das auch was ganz anderes als man seitens der Bundesregierung bei der häufigen Erwähnung des Wortes Digitalisierung im Koalitionsvertrag gemeint hat. Aber ich beginne von vorne…

Am 31.12.2022 ist die Frist zur Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes nach fünf Jahren ausgelaufen. Seit anderthalb Monaten kann also jeder Bürger, alle seine relevanten Verwaltungsvorgänge bequem von zu Hause aus machen. Oder könnte, wenn man es denn in fünf Jahren hinbekommen hätte und nicht erst nach viel Prokrastination kurz vor Schluss an vielen Stellen aus dem Quark gekommen wäre. Natürlich nicht, um irgendwas umzusetzen, sondern um sich zu beschweren und zu lamentieren, dass man ja jetzt keine Zeit mehr habe irgendwas umzusetzen bis zum Ende des Jahres. Leuchtendes Beispiel dafür ist z.B. auch das Landratsamt Würzburg, das eben sechs Wochen nach Ablauf der Frist von fünf Jahren ein Umfrage an die Bürger stellt, was sie sich denn von einem digitalen Amt erwarten. Wehe dem, der an gleicher Stelle eine Frist reißt… Und weil man auch auf höchster politischer Ebene gemerkt hat, dass der Plan nicht aufgeht, hat man in den letzten Wochen einen ersten Entwurf zu einem Änderungsgesetz auf den Weg gebracht. OZG 2.0 sozusagen. Kernelement davon: Man will jegliche Frist zur Umsetzung streichen. Soll ja kein Druck aufkommen… Ich sag mal so: Wie groß ist wohl der Druck und Schwung bei einer Sache, für die man keinen Blumentopf oder eine Auszeichnung gewinnen kann, die bei den meisten Städten und Gemeinden keine Priorität hat und von den Mitarbeitern auch teilweise abgelehnt wird? Nur mal so als Vergleich: Bei der Einführung des elektronischen Personalausweises, wurde auch nur von staatlicher Seite eine Software zur Verfügung gestellt, weil es nichts gab. Man ist damals auch davon ausgegangen, dass der Markt hier entsprechend bessere Produkte zur Verfügung stellen wird. Das ist jetzt 13 Jahre her und der Markt ist voll davon. Also wenn voll heißt, dass es eben immer noch die AusweisApp2 als Referenz gibt und ein alternatives OpenSource-Produkt.

Mitten rein in diese Diskussion platzt dann ein Heise-Artikel zur Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung und die traurige Beschäftigung, wie der Stand der Dinge denn in Würzburg ist. Dort braucht man nur ganze drei Klicks um von der Startseite auf dem Bayern-Portal zu landen. Scheinbar ein digitales Angebot des Staatsministeriums für digitales als Dienstleister für die Städte und Gemeinden. Besser als nix… Ob das Hintergrundbild jetzt Würzburg ist, weiß ich nicht. Sieht für mich erstmal nicht so aus. Und wenn, dann eine Ecke, die einem jetzt nicht spontan einfällt. Immerhin 79 Online-Leistungen hört sich erstmal nach einem Knaller an. Auf die Stadt bezogen sind es aber nur knapp über 50. Der Rest sind zentrale Dienste für den ganzen Freistaat.

Bei den eigenen Diensten beginnt dann aber der Spaß. Ich hab mal was klassisches genommen, was man als Bewohner in Würzburg meistens braucht: Antrag auf einen Anwohnerparkausweis.

Ohne einen weiteren Hinweis werde ich wo ganz anders hingeleitet. Die Seite sieht anders aus, der Server heißt anders. Statt freistaat.bayern heißt der Server auf einmal formular-server.de. Impressum gibt es auch keins mehr. Datenschutz nur als PDF. Spätestens hier, denkt man das erste Mal, man sei falsch abgebogen. Scam, Phising, dubiose Weiterleitung… Ich meine im IT-Grundschutz Baustein CON.10 zum Thema Webanwendungen stand sowas wie „Nutzer eindeutig darauf hinweisen, wenn er wo anders hin umgeleitet wird“ Scheint hier nicht der Fall zu sein. Das Datenschutz-Dokument als PDF liegt übrigens wieder auf einer anderen Domain, nämlich der, des Herstellers oder Betreibers des Formular-Servers. Hiermit haben wir dann endgültig, außer auf dem digitalen Papier, jeden Bezug zur Stadt Würzburg verloren. Wir sind aber noch nicht am Ende der Fahnenstange angekommen… Und damit meine ich nicht, dass ich mich über die fehlende Barrierefreiheit und Gebrauchstauglichkeit (Auch die Angabe zur Prüfung und Schlichtungsstelle fehlt by the way…) oder Erläuterung des * wundere. Ich habe auch leichte Zweifel, dass man aria-describedby richtig verwendet hat… aber da bin ich nicht so der Experte drin. Ein Input von einem Fehler beschreiben zu lassen… ich weiß ja nicht.

Nein, ich rede vom Zwischenspeichern. Immerhin kann man das… tolles Feature. Dachte ich. Aber ich lasse das Bild einfach mal wirken…

„Zwischenspeichern“ des Formular-Systems

Domain Nummer 4 ohne irgendeinen Bezug zur Stadt Würzburg, einem nichtssagenden Logo einer unbekannten Firma dazu, schlägt dem Fass den Boden aus und dass ich hier einfach eine html-Datei lokal als „Zwischenspeicherung“ anbiete, prügelt den ausgeschlagenen Boden weit, weit, weit in Ecken in denen die Sonne nicht mehr scheint. Und wohl gemerkt: Finanziert durch Steuergelder! Spätestens hier, schreit das Ding nur noch nach Scam, geltenden Regelungen zur Deklarierung im Netz werden einfach mal ignoriert. Das hat nichts mehr mit Professionalität und dem vertrauenswürdigen Umgang mit personenbezogenen Daten zu tun.

Passend dazu sucht die Stadt Würzburg aktuell einen CDO, einen Chief Digital Officer. Einen Chef-Digitalisierer für ihre 3000 Mitarbeiter. Gehaltsvorstellung: E13. Abgesehen davon, dass ich nicht qualifiziert bin mich zu bewerben, ist das ja dann Ende der Fahnenstange was digital angeht. Und ganz ehrlich, alleine bei den oben aufgezeigten Schmerzpunkten, wäre mir das auch zu wenig für den Posten. Ich will angesichts so einer Außendarstellung gar nicht wissen wie die digitalen Prozesse im Inneren sind.

Und damit wären wir wieder am Anfang: Warum sollte jemand viel Geld in die Hand nehmen um dem Bürger einen guten digitalen Service zu bieten, wenn er nicht mehr muss? „Kundenzentriert“ kann das hier nicht sein, weil der Bürger scheinbar nicht als Kunde gesehen wird sondern eher als Bittsteller auf dem Amt. So wird das einfach nix mit der Digitalisierung in Deutschland… Ich frag mich, wie man bei solchen Voraussetzungen Herausforderungen wie die Registermodernisierung oder Once-Only stemmen will…

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