Bewegtes Würzburg
Vieles bewegt zur Zeit Würzburg!
Basketball, Weindorf… was sich noch nicht bewegt, ist die neue Linie 6 der Straßenbahn von der Stadt zum neuen Stadtteil Hubland.
Ein Grund mehr, mal wieder meiner Meinungsverschiedenheit mit Tilman zu frönen, der sich in einem selbstbezeichneten „Rant“ darüber ausgelassen hat, warum Würzburg eigentlich keine Linie 6 braucht.
Eines muss man allerdings vorwegschicken:
Ich bin mir bei Tilman nicht immer ganz sicher, ob er nicht Fakten und Argumente ignoriert oder überspringt. Vielleicht der Dramaturgie wegen…
Fangen wir oben an:
Die Fahrzeit!
Ich halte seine geschätzte Fahrzeit von bis zu 30 Minuten für vollkommen überzogen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man vom Hauptbahnhof bis zur Haltestelle Berner Straße am Heuchelhof, also einmal durch die komplette Innenstadt und durch ganz Heidingsfeld über 15 Stationen ziemlich genau eine halbe Stunde braucht. Auch wenn in der Stadt viel los ist. Und wir reden hier von der Achse Rathaus bis Bahnhof mit vielen unvorsichtigen Tagestouristen aus dem Umland.
30 Minuten, unabhängig vom Verkehr da eigene Spur und, zum Leidwesen der Autofahrer, mit Vorrang an der Ampel.
Nehme ich als zweiten Refernzwert die Linie 10 als Bus, die die Achse Sanderring – Stadtmensa – Hubland/Mensa bedient, so steht diese mit 12 Minuten im Fahrplan, braucht je nach Verkehr aber wohl eher 15-20.
Tilman, als Waldbüttelbrunner, sollte um den Nachteil des Busses zur Hauptverkehrszeit eigentlich wissen. Ist die Leistenstraße doch wohl „sein Einfallstor“ in die Stadt. Wer nicht weiß, was gemeint ist, kann ja mal zwischen 17 und 18 Uhr versuchen von Höchberg über die Leistenstraße in die Stadt zu kommen. Ich wünsche viel Spaß… Über die Zellerau dürfte es das gleiche sein.
Womit wir schon beim nächsten, irgendwie nicht genannten, Argument wären. Der Bus muss die Straße benutzen. Die Verkehrssituation in Würzburg muss ich wohl niemandem schildern, der Wochentags zur fraglichen Uhrzeit schonmal unterwegs war… Auch ein Bus wird da stehen und ja, dann glaube ich, dass wir wirklich mit Glück bei 30 Minuten sind… Eher mehr. Fragen Sie einfach mal Betroffene ;)
Die Straßenbahn hat da doch einen entscheidenden Vorteil, den auch jeder ITler verstehen wird: Für einen Zweck dedizierte Leitungen sind performanter als geteilte Leitungen über die aller Möglicher Schmodder läuft. Ziehe ich bei voller Leistung über die Leitung eine neue Linux-Distri, habe aber gleichzeitig noch was anderes zu tun, dann kann es schonmal sein, dass was hinten runterfällt.
Auf den ÖPNV übertragen:
Der Bus steht auf der Straße mit den Autos, die Schienen hat die Straßenbahn im Normalfall ganz für sich allein. Was wird wohl schneller sein?
Bus vs. StraBa
Erstmal werden hier Äpfel mit Birnen verglichen.
Müsste man die Straße für den Bus erst bauen, wären die Kosten auch höher. Kommen meine Azubis mit dem Argument, dass ein Server nix kostet „weil er eh schon da ist“, gibt es auch auf die Finger. Und zwar kräftig. Ich sollte in Zukunft auch darauf bestehen bei jeglichem Hoster oder Hosting-System im Netz nichts für die Bereitstellung des WebSpaces zu zahlen, solange mir der Anbieter nicht nachweisen kann, dass er dediziert auf Grund meiner Anfrage einen neuen Server kaufen musste oder eine neue Platte kaufen musste, die genau so groß ist wie das was ich haben will.
Man kann also höchstens die Anschaffungskosten einer Bahn mit der eines Busses vergleichen.
Natürlich ist die Bahn dort auch teurer… Allerdings nicht mehr das zehnfache. Bricht man das ganze dann auf eine vergleichbare Einheit runter, landet man wohl beim Punkt „Kapaziät“.
Die neuesten in Würzburg eingesetzten Straßenbahnzüge sind für 76 Sitzplätze plus 131 Stehplätze zugelassen. Kompressionen jetzt mal außen vorgelassen sind das also 207 Personen, die auch auf einen Schlag befördern kann.
Die schon etwas altersschwachen Busse bieten laut Hersteller maximal 36 Sitz- und 118 Stehplätze. Macht zusammen also 154 Personen pro Bus. Und hier reden wir vom Idealfall Gelenkbus.
Die Kapazitätsdifferenz sind also, pro Ladung, 53 Personen.
Nimmt man als Grundlage jetzt den von Tilman angestrebten 10 Minuten-Takt, so werden pro Stunde 6 Ladungen auf den Weg geschickt (Vergleich Ist-Zustand: Linie 10 wirklich alle 10 Minuten. StraBa-Linie 3 und 5 alle 6 oder 7 Minuten.)
Würde man auf Busse setzen, dann würden gegenüber der Straßenbahn in der Stunde bei Maximalauslastung 318 Leute stehen bleiben. Man müsste also etwas mehr als zwei Fahrten pro Stunde mehr machen um die gleiche Menge Personen zu befördern wie die Straßenbahn. Alle 7,5 Minuten ein Bus. Ich glaube, davon gibt es in ganz Würzburg keine einzige Linie, die in so kurzen Abständen fährt. Die Anschaffung zusätzlicher Busse würde auch wieder den Kostenvorteil des Busses schrumpfen lassen.
Dieselbusse will in der Stadt auch niemand haben: Laut und stinken.
Bleiben also die ökologischen Hybrid-Busse. Schaut man zu unseren Nachbarn nach Frankreich, sieht man immer mehr Städte, die nach Initiativen „Tausche Straßenbahn gegen Hybrid-Bus“ jetzt wieder für teures Geld ihr Straßenbahnnetz aufbauen. Die Dinger waren zwar günstiger als die Straßenbahn, haben aber weder die Kapazität erreicht noch hat sich die Technik bewehrt und vermehrt zu Ärger und Ausfällen geführt.
Entscheidungsgeschwindigkeit
Auch hier ist entweder an Tilman oder an mir was vorbeigegangen. „Schnell“ ging da ja wohl gar nix… Ich erinnere an zahlreiche Diskussionen zur Streckenführung mit den Ringparkschützern, den Verkehrsmenschen, dem UNESCO-Weltkulturerbe, die Nutzung von oberleitungsfreien Straßenbahnen usw.
Nicht einmal die Entscheidung, dass Oegg-Tor zu schließen ging schnell sondern auch nur, weil man dem Stadtrat mehr oder weniger scheinbar die Pistole auf die Brust gesetzt hat. Wo er da schnelle Entscheidungen gesehen hat: Keine Ahnung!
Schlussendlich läuft es aber doch auf eines raus:
Es führt kein Weg an der Straßenbahn vorbei um einen ganzen neuen Stadtteil anzuschließen. Wohnraum, gerade für Studenten, ist knapp in Würzburg. Und dummerweise wollen die auch immer von A nach B wenn ganz viele andere Menschen auch von A nach B wollen. Man schaue sich doch nur die Schlange am Oeggtor und der Rottendorfer Straße zur Feierabendzeit an. Und ja, auch Studenten wollen da nach Hause. Der Bus würde in die Stadt kommen, aber nie mehr ans Hubland… schon gar nicht im 10 Minuten Takt.
Gepaart mit den 318 Leuten, die stehen bleiben, wäre das rausgeschmissenes Geld. Dann lieber einmal richtig statt zweimal Anlauf zu nehmen.
Ich hoffe, Tilman sieht das ganze Zahlen- und Argumentwert nicht als Angriff auf seine Meinung sondern als von Fakten untermauerte Gegendarstellung, warum Würzburg doch eine Linie 6 braucht ;)
2 Comments
Kommentare sind geschlossen.
nunja, in Köln bewegt sich die U-Bahn vom Hauptbahnhof in den Kölner Süden auch noch nicht, da wird aber erst seit ~10-12 Jahren dran geplant und gebaut und man ist sich dann plötzlich nicht mal mehr sicher ob man ein Tunnel oder eine Brücke mehr oder weniger bauen soll oder will.
außerdem fallen da beim Bauen schon mal Häuser um.
:)
Auch nicht besser… hier zankt man sich um wegfallende Parkplätze und ob Schotter- oder Rasengleis.
Ich freue mich auf die katastrophalen Zustände, wenn die wirklich das buddeln anfangen