Wir haben einen Vogel

Wir haben einen Vogel

Eine Meise haben wir ja schon länger. Es sind sogar zwei, die hin und wieder unseren Balkon heimsuchen und eine Sauerei hinterlassen, den man so einem kleinen Vogel gar nicht zutraut. Beliebt ist das Spiel „Kuller die Beeren über den Balkon“. Aber eigentlich haben wir seit Anfang Mai einen anderen Vogel. Oder Mitbewohner. Eine Amselfamilie hat die Stahlträger unseres Balkons als ihr Heim auserkoren.

Die Sitzprobe

Wir sind beide der festen Überzeugung, dass Herr Amsel den Nistplatz ausgesucht hat. Wir hatten an dem Samstag auf jeden Fall viel Spaß als er unten auf dem Rankgitter saß und sie oben probe gesessen. Oder besser gesagt: Probe gestanden. Sitzen war nicht, weil da hat sie jedes Mal fast den Abgang gemacht.

Frau Amsel steht Probe

Wir haben schon gelästert, dass er ausgesucht hat und es halt Mist war. Mann kennt das. Wir waren beide der festen Überzeugung dass kein Vogel so blöd sein kann da ein Nest zu bauen. Madamsel kam aber ein paar Mal wieder um Probe zu sitzen. Immer mit dem gleichen Ergebnis. So ging für uns ein lustiger Samstagabend zu Ende. Wir haben Abends noch gesagt, wir schauen mal was passiert. Sonst müssen wir da ein Brett einziehen, was auf Grund der Bolzen des Balkons nicht so einfach ist.

Bastelsonntag

Tja, da machste dann Sonntagsmorgens den Rollladen hoch und merkst, dass jemand anderes schon fleißig war.

Fertighaus – Amselstyle

Ich war also nicht der erste der wach war und Familie Amsel hat sich entschieden, dass mangelnde Statik ja wohl kein Grund ist auf ein Dach über dem Kopf und zwei feste Wände (mit Bullaugenfenster) zu verzichten.
Leider beruht die komplette Statik auf dem locker verlegten Antennenkabel der Wohnung über uns. Also Sonntagmorgen den Weg in die Garage antreten, die Leiter holen, die dünne Sperrholzplatte und den Dremel rausholen. Stützarbeiten am Fundament bevor das ganze Nest beim ersten Luftzug in unseren Blumentöpfen landet.

Verbesserung des Fundaments Teil 1

Vorsichtig drunter geschoben, mit einem abgeschnittenen Holzstab aus der Blumenecke abgestützt und stilecht mit Gaffertape gesichert. Die Veränderung wurde von Madamsel angenommen. Dankbarkeit konnten wir jetzt keine verspüren. Ich weiß auch nicht was sie da oben getrieben hat, aber beim Nestbau hat es sich immer sehr radikal angehört wenn sie irgendwas hinten in der Ecke gewerkelt hat. Herr Amsel hat sich übrigens nicht mehr blicken lassen. Zumindest den Teil über Nestbau bei Amseln können wir bestätigen: Frauensache. Er war in der Gegend aber gebaut hat sie alleine. So ging das ein paar Tage, bis sich nicht mehr viel getan hat.
Wir wissen übrigens nicht wie und warum sie den Zapfen da hochgeschleppt hat. Wir waren es nicht, aber eines Tages war er da. Wir hoffen nur, sie wirft ihn nicht irgendwann nach uns.

Thronende Madamsel

Warten auf die Eier

Und dann haben wir gewartet. Sie war immer sehr lange weg und meine Theorie war, sie brütet wo anders und nutzt das nur als ihr Feriendomizil. Zumindest war sie nur selten zu sehen. Bis vor Pfingsten. Da wurde Madame langsam zum Dauergast. Immer mal wieder weg, aber sonst hockte sie in ihrem Nest. Scheinbar waren alle Eier gelegt. Und da sie ja in knapp 3 Meter Höhe wohnt auch keine Chance für uns zu schauen oder ran zu kommen. Wir haben schon überlegt eine Nistkastenkamera zu kaufen, aber die guten brauchen leider alle Strom. Und wenn dann hätte man die schon direkt ins Nest bauen müssen, was auch doof gewesen wäre.

Wir haben auch schnell gelernt dass es hier gewisse Regeln gibt. Erstens ist das träge Raubtier ziemlich harmlos. Man muss den zwar im Auge behalten aber scheinbar mag er keine Amseln. Ein bisschen schimpfen schadet trotzdem nichts, wenn er Mist baut. Ich habe auch schnell gelernt dass man nicht in der Einflugschneise zu stehen hat. Denn auch das konnte wir beobachten: Madamsel hat einen gewissen Rhythmus entwickelt und holt Schwung vom aus einem Baum auf dem Parkplatz (ironischerweise dem über meinem Auto), zieht nach unten und schießt dann mit einem sauberen Schwung diagonal ins Nest. Das ist der einzige Weg rein und raus. Anders geht nicht. Auf keinen Fall. Was damit endet, das ich auch mal aus dem Baum gegenüber angefaucht werde. Zwei Schritte zurück und schon saust was ins Nest. Genauso verlässt sie das Nest auch wieder. Die Kurzstrecke zum angebotenen Futter auf dem Balkon nimmt man übrigens nicht. Nachdem die Meisen das entdeckt haben, sollte sie das auch kennen. Nein, Madamsel steht auf frische Kost.

Aber zurück zum Kameraproblem: Letzte Woche hatte ich dann die Nase voll und habe das Handy ans Stativ geschraubt und mit dem Fernauslöser Bilder gemacht…

Fünf sehr hübsche Amseleier

Fünf Amseleier. Und scheinbar hat sie zum Nestbau noch irgendwo ne alte Kassette gefunden. Bin gespannt was die kleinen da als musikalische Früherziehung bekommen.

Einen Nachteil hatte der schwungvolle Anflug der Mutti übrigens: Das Tape hat nicht gehalten. Also habe ich immer wieder mit dem Besenstil nachjustiert. Natürlich nur wenn sie nicht da war. Aber einmal wurde ich doch lautstark danach zurechtgewiesen. Naja, lieber von einer Amsel angeschimpft werden, als ein abgestürztes Nest. Dauerlösung war das aber nicht, also musste nochmal optimiert werden.

Von wegen „Dummer Vogel…“

Leiter wieder hochgeholt, klemmen aus der Trooper-Baukiste geholt und alles auf dem Balkon zurecht gelegt. Fand Madamsel schon nicht so gut und hat sehr kritisch geschaut. Ich wollte ja wieder warten, bis sie weg war. Irgendwann flatterte sie dann auch und beim Schritt auf den Balkon wurde ich von Herrn Amsel begrüßt. Wochenlang abgetaucht, wurde der Held im schwarzen Federkleid jetzt zum aufpassen abgestellt. Tja… Leider ist Herr Amsel ein Schisser und kein guter Aufpasser. Also schnell die Klemmen dran und wieder runter. Wie es sich gehört, kam dann auch postwendend die Bauinspektion in Form von Herrn Amsel. Kontrollgang, kurzer Pfiff und weg war er. Und sie durfte wieder brüten. Sitten herrschen da auf unserem Balkon…

Samstag saßen wir noch mit meinen Eltern draußen und haben Kuchen gegessen unter ihren wachsamen Augen. Sonntag wurden ihre Ausflüge schon reger und irgendwie hat sie sich am Nest auch anders verhalten. Da er aber nicht zu sehen war, dachten wir, dass es dann wohl doch noch nicht so weit ist mit den Küken. Aber…

Futter hier!

Vier Hungerleider saßen da schon im Nest. Nummer 5 hat auch noch nachgezogen. Seitdem herrscht reger Pendelverkehr von Madamsel und ihrem immer noch nicht so mutigen (und nicht so cleveren) Amselpartner.
Und wenn man ganz leise ist, hört man das leise Piepen auf dem Balkon.

Ihr An- und Abflug sieht immer noch sehr elegant aus. Man sieht im Video auch, dass sie drüben im Baum startet und dann zu uns rüberzieht.

Wir sind auf jeden Fall gespannt wie es mit der kleinen Familie da oben weitergeht. Ich glaube, Herr Amsel fühlt sich von uns zeitweise sehr verarscht. Die angebotene Erdbeere wurde kritisch aus sicherer Entfernung beäugt, aber nicht angerührt. Man weiß ja nie…

Unser Freundeskreis möchte auf jeden Fall auf dem laufenden gehalten werden. Am besten täglich. Wir werden unser bestes tun!

Was man Familie Amsel auf jeden Fall zu gute halten muss: Sehr reinlich. Kein Vogelschiss, kein Dreck, nichts runtergefallen. Anders als bei den Tauben oder den Schwalben bei meinen Eltern. Madamsel lässt noch was fallen bevor es ins Nest geht, aber sonst sieht man nichts.

Die anderen Vögel

Wir sind mit unseren Amsel auf jeden Fall sehr gut bedient. Zu Tauben wären wir nicht so gastfreundlich gewesen. Und ich weiß nicht, was bei den Nachbarn nistet, aber das muss schon ein ziemlich dicker Brummer sein, wenn der aus Crocs sein Nest baut. Und farblich hat Madamsel bei uns auch mehr Geschmack bewiesen.

Der Croc-Vogel

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