Jeder kann alles!

Ranga Yogeshwar ist mir ja eigentlich sympathisch.

So als als Deutsch-Indische-Allroundwaffe, wenn es darum geht komplexe Forschungssachverhalte einfach darzustellen. Was er aber im Stern anlässlich der Initiative „Jeder kann programmieren“ von sich gegeben hat, ist, zumindest aus meiner praktischen Erfahrung heraus, Blödsinn.

Kern seiner These ist, dass jeder programmieren können sollte, weil eben jeder auch mit dem PC oder dem Smartphone hantiert. Und eben auch jeder programmieren lernen kann. Als Beispiel bringt er dann den Einfluss der Erfindung des Buchdrucks darauf, dass viele Menschen danach lesen und schreiben gelernt haben.

An der Stelle fängt das Beispiel nicht nur das Hinken an, sondern es bekommt gleich mal die Beine weggeschossen. Wäre man konsequent müsste mindestens attestieren, dass durch die Erfindung des Buchdrucks jeder in der Lage ist, etwas druckbares zu schreiben bzw. in der Lage ist, etwas komplexes wie den Buchdruck in Heimarbeit zu betreiben.

Ich denke, in beiden Fällen wird man das ganz klar verneinen können. Auch heute haben nur die wenigsten Menschen eine Druckmaschine zu Hause stehen. Und so mancher, der von sich denkt, dass er der nächste Schiller, Goethe oder Shakespeare wäre, hätte das besser gelassen…

Zieht man das ganze dann von der Nutzerseite auf, dann müsste auch fast jeder ein Auto bauen können. Bei einigen scheitert es da aber schon daran, den Ölmessstab zu finden oder einen Reifen zu wechseln.

Nach mehrjähriger Erfahrung im Bereich Ausbildung zum Fachinformatiker Anwendungsentwicklung muss ich die süße Seifenblase von Herrn Yogeshwar erst recht platzen lassen.

  1. Programmieren ist irgendwas zwischen Handwerk und Kunst. Nicht jeder der ein IKEA-Regal aufbauen kann, wird auf einem Haufen Holz auch selber einen Tisch zimmern können. Als Entwickler brauche ich einen gewissen Spieltrieb und einen Hauch von Kreativität. Vielleicht auch den äußerlichen Anschein von Chaos.
  2. Nicht jeder will programmieren! Wir haben genügend Bewerber, die schon mit der Aussage ankommen, dass sie gar nicht programmieren wollen sondern lieber Integrator werden wollen, weil ihnen die Arbeit mit dem Rechner und das verkabeln Spaß macht.
  3. Nicht jeder will überhaupt was damit zu tun haben. Aus Gesprächen auf Messen weiß ich, dass für viele Jugendliche der PC oder das Smartphone mittlerweile nicht mehr sind als ein Werkzeug. Um einen Hammer oder einen Flaschenöffner zu benutzen, werde ich mich auch nicht erst stundenlang mit den physikalischen Gesetzmäßigkeiten auseinandersetzen, sondern das Ding einfach benutzen.

Statt solche Dinge voranzutreiben, sehe ich eher den Bedarf an ganz anderer Stelle. Man sollte vielleicht lieber eine Stufe tiefer ansetzen und Schülern praktische Problemlösungskompetenz beibringen.

Denn was bringt es mir, wenn ich weiß, wie ein Fahrkartenautomat programmiert wird, wenn derjenige dann nicht in der Lage ist, eine Fahrkarte damit zu kaufen.

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