Es ist ein warmer Freitagnachmittag.
Zwei Männer treffen sich in einem Café in der Würzburger Innenstadt. Ein brauner Umschlag wird unauffällig über den Stehtisch zwischen zwei Affogato von links nach rechts geschoben. Ein kurzer Blick einer der Männer in den Umschlag, anerkennendes Nicken, der Hauch eines Lächelns und zwei Scheine wechseln den Besitzer auf dem selben Weg.
Keiner der Umstehenden schöpft Verdacht. Auch die Polizei scheint sich nicht für diesen Austausch in aller Öffentlichkeit zu interessieren.
Warum auch? Immerhin sind wir hier nicht in einem Agententhriller oder auch dabei Drogen auszutauschen.
Hier geht es um was ganz anderes. Den guten Stoff. Den vermeintlich richtig guten Stoff. Lesefutter. Aber eben nicht irgendein Lesefutter sondern Lesefutter für Gamer.
Endlich wieder etwas frisches jenseits der Hochglanzmagazine im Supermarkt nebenan. Und das auch noch ohne Werbung. Zumindest ohne traditionelle Werbung.
Was hier mal eben über den Stehtisch gewandert ist, ist die erste Ausgabe der WASD. Einem Magazin, dass es so nicht im Laden gibt und dass sich auf die Fahnen geschrieben hat, Texte für Gamer zu veröffentlichen. Ohne Wertungskästen und ohne Previews auf Titel, die vielleicht irgendwann mal erscheinen werden. Es soll um Gedanken und Texte zu einem bestimmten Thema gehen. Geschrieben von Profis und nicht ganz so professionellen Bloggern aus der Szene.
So hört Ausgabe eins auch auf einen Name, der sich ein bisschen anhört, als wären das Krümelmonster und Oscar eine unheilige Allianz eingangen:
Tasty Trash
Lecker Müll!
Ein ganzes Magazin voller Texte zu schlechten Spielen.
Wobei „Magazin“ schon eher missverständlich ist. Es hat schon mehr Taschenbuchformat und kommt mit 200 Seiten schon sehr wuchtig daher. Ebenso wie der Einführungspreis mit fast 15 € eher auf ein Buch als auf ein monatliches Heftchen hinweist.
Sprung nach vorne: Es ist Dienstagnachmittag und ich lese in der Straßenbahn die letzten Zeilen dieses Werks. Und bin unschlüssig was ich da jetzt wirklich vor mir habe.
Es ist „anders“ für ein Gamer-Magazin und doch eher am Buch. Statt an PC Games, GameStar und Co erinnert es mich eher an „Ladezeit“ aus dem Blumenkamp-Verlag: Relativ zeitlose Texte, allesamt hervorragend bis solide geschrieben, habe ich hinter mir über „Schlechte Spiele“ im weitesten Sinne. Jeder der Autoren hat seine eigene Art an das Thema heranzugehen und es zu interpretieren. Die Texte selber sind meistens nur drei bis vier Seiten lang und damit genau richtig für den kleinen Happen zwischendurch. Langeweile und Längen kommen da schonmal keine auf. Sicherlich ist der eine oder andere Text zugänglicher als andere, aber das hat wohl auch viel mit dem eigenen Geschmacks- und Stilempfinden zu tun.
Und trotzdem fehlt mir doch ein bisschen was, was am Ende sicher auch an meiner Erwartung im Bezug auf den Begriff „Magazin“ liegt. Sie fehlen mir doch, die bunten Bildchen, interessanten Einblicke in Bereiche, der Hauch von Technik und sinnlose Tests zu noch sinnloseren Gadgets. Zwischen all dem Anspruch erwarte ich wohl bei einem Magazin doch ein bisschen Stumpfsinn. Freizeit für’s Hirn!
So ist es eben eine thematische Ansammlung von Essays. Ein Buch. Ein Band einer Serie vielleicht, aber irgendwie kein Magazin im herkömmlichen Sinne. Der Begriff „Bookzine“, der schon durch die Lande geistert, scheint da eher exklusiv für die WASD geschaffen worden zu sein.
Wer jetzt immer noch nicht abgeschreckt ist, kann sich direkt auf der Seite mit einer Leseprobe versorgen und das „Ding“ dort auch bestellen (Ja, ich weigere mich Magazin zu sagen… ;) ).
Ich hoffe doch sehr, dass genug Geld in die Kasse kommt um über eine zweite Ausgabe nachzudenken. Es ist eben doch ein spannendes, und bisher in Deutschland eher wenig beackertes, Feld der Games-Literatur.
…und am Ende bin ich doch nur neidisch, dass meine Texte wohl nie die Qualität einer WASD erreichen werden ;)
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