Pandemie-Review

Pandemie-Review

Fast neun Monate Pandemie. Was haben wir gelachtlernt!
Andere bekommen in der Zeit Kinder oder schaffen sonstige produktive Dinge, aber was hat die Menschheit in dieser Zeit aus meiner Sicht auf die Kette gebracht? Waren wir genauso produktiv? Sind wir die viel besungene „bessere Gesellschaft“ geworden oder so blöd (wenn nicht sogar blöder) wie am Anfang des Jahres?

Menschen arbeiten von zu Hause

Bis März unvorstellbar für viele Arbeitgeber, aber Menschen, die von zu Hause arbeiten, arbeiten wirklich was. Also die meisten. Gerüchteweise soll es teilweise sogar besser klappen als wenn man jeden Tag mit vielen anderen Menschen in einem Gebäude sitzt. Allein schon weil sich nicht Kollege Huber und Müller unangemeldet die Klinke in die Hand geben und so effektiv jeden Arbeitsfluss zerstören.
Im Gegenteil: Manche Menschen arbeiten sogar mehr, weil z.B. der Arbeitsweg entfällt.
Sachen gibts…

Menschen arbeiten nicht zu Hause

Menschen, die nicht zu Hause arbeiten, sind die neuen Helden. Dafür gibt es jetzt sogar ein schickes Wort, dass wahrscheinlich so wieder nicht adäquat in andere Sprachen übersetzt werden kann: Systemrelevant.
Ich warte jetzt darauf, dass es z.B. im Englischen auftaucht wie Kindergarten oder Sauerkraut.
Woran merkt man, dass man Systemrelevant ist? Man bekommt eine geklatscht. Also im wörtlichen Sinne. Menschen klatschen für andere Menschen, die Dinge tun. Lässt sich gut im Home Office einschieben. Kann man eben mal schnell aufstehen und hat seine bewegte Pause.
Woran merkt man es nicht? Dem Konto. Sobald es z.B. bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst darum ging, eine Zahl an die Systemrelevanz zu hängen, war’s dann eher:
’s klatscht gleich… Aber kein Beifall.
Zum Dank dürfen sich die systemrelevanten dann eher bepöbeln und beschimpfen lassen. Selbst fränkische Dankbarkeit fällt im Normalfall herzlicher aus.

Strukturprobleme

Dinge, die wir vorher schon wussten aber in der bester Manier verdrängt haben. Das Internet ist in Deutschland Neuland. Nicht nur weil Politiker das sagen, sondern teilweise grottiger als in anderen Ländern, die keine Wirtschaftsmacht sind, auf dem platten Land.
Die Perfektionierer der Bürokratie und des Förderalismus sind einfach nicht darauf vorbereitet, dass es nichts mehr gibt, was man stempeln, knicken, lochen und abheften kann. Wir haben aber ganz schnell gelernt, dass es total einfach ist inkompatible, schlecht durchdachte und anfällige IT-Lösungen zu finden. Die können wir jetzt nach der Erprobungsphase von der Liste streichen und uns langsam nach oben arbeiten zu dem Zeug, was funktioniert.

Vor dem Essen, nach dem Klo…

Vielen haben jetzt gelernt, dass die Renaissance und der Barock doch vorbei sind, und dass regelmäßiges Händewaschen durchaus erlaubt und sinnvoll ist. Aber meine zwei Lieblings (Nicht-)Wissenschaftsnerds konnten das vor sieben Jahren schon viel besser erklären

Fun with Facts

Kurzform: Händewaschen mit Seife und lang genug!

Und als hätten die zwei es vor 10 Jahren schon gewusst, haben sie sich damals auch schon mit dem Thema „richtiges Niesen“ beschäftigt

Even more fun with facts

Die Sache mit der Physik

Und auch wenn es schon lange viele tolle Sendungen über Wissenschaft von Sendung mit der Maus über Quarks bis zu Telekolleg gibt, die Nummer mit der Physik haben wir einfach nicht drauf. Zumindest dann nicht wenn es um Masken geht. Wobei: Darf man die Plastikspoiler überhaupt Masken nennen?
Grundargument dafür ist ja, dass man besser Luft bekommt als unter den mehrlagigen Stoffmasken. Schauen wir uns das einfach mal ganz nüchtern an:
Warum benutzen Killer in Hollywoodfilmen immer Plastiktüten um Menschen lautlos um die Ecke zu bringen? Kann es sein, dass es sich hierbei nicht nur um finstere Typen handelt sondern auch das auch gleich noch Ökoschweine sind? Oder stehen sie am Ende drauf, ihr Opfer zu sehen, was unter einem Öko-Jutebeutel einfach nicht klappen würde. Hat es was mit Style zu tun?

Die Antwort in allen Fällen ist nein. Zu Hause käme auch keiner auf die Idee (abgesehen von Special Interests) sich ne Plastiktüte über den Kopf zu ziehen. Ein Bettlaken zum Gespenst spielen ist aber selbst für Kinder eher unkritisch (abgesehen von den Löchern für die Augen).
Warum ist dem so? Naja, weil wir wissen (und auf der Tüte steht) dass man eben ersticken kann. Plastik hat nunmal die unangenehme Eigenschaft, keine Luft durchzulassen. Oder eben so wenig, dass es für den menschlichen Organismus nicht reicht. Deswegen geht irgendwann das Licht aus. Soweit, so klar…

Jetzt hat man ja gelernt, dass sich das Corona-Virus über Aerosole verbreitet. Also im Grunde wie ein Nebel aus der Sprühflasche nur viel viel viel kleiner. Super Sache! Wir haben ja eben gelernt, dass durch Plastik nichts durchgeht! Also Plastikmaske for the win!
Mit was kann man besser Fenster putzen? Einem Mikrofasertuch aus Stoff oder einer ABS-Platte.
Diejenigen mit der ABS-Platte dürfen jetzt weiterlaufen… Da ist es wahrscheinlich eh zu spät für alles.
Alle anderen: Warum Mikrofasertuch? Blöde Frage oder? Weil auf dem ABS das Wasser nicht hängen bleibt und beim Mikrofasertuch jeder Dreck verschwindet.
Wenn ich also kleine Tröpfchen filtern oder fangen will, ist Stoff die bessere Variante als Plastik.

Kurzer Zwischenstand also: Durch Stoff bekommt man Luft und man kann, je nach Beschaffenheit, kleine bis große feuchte Brocken aus der Luft filtern.

Bleibt noch der Grund, warum viele Menschen die Güllespoiler trotzdem tragen: Man bekommt ja viel besser Luft!
Auch hier wieder ganz schmerzfrei ein kleiner Logikcheck. Warum ist das Atmen durch eine Stoffmaske schwerer als bei einem Güllespoiler?
Beim Einatmen muss der Körper mehr Unterdruck erzeugen, damit die Luft durch das Stoffgewebe gezogen wird.

Warum wollen wir, dass das durch das Stoffgewebe gezogen wird?

Damit die feuchte Atemluft der anderen an den Stofffasern vorbeihuscht und die fiesen, kontaminierten Tröpfchen daran hängen bleiben und nicht durchmarschieren in unsere Lunge. Die findet das nämlich doof und nimmt uns das übel. Übrigens auch bei normalen Erkrankungen mit Tröpfcheninfektion.

Ganz ähnlich ist das beim ausatmen. Da muss unsere Lunge unsere feuchte Luft durch den Stoff drücken. Sind wir eine Ungezieferschleuder, bleiben auch bei hausgemachten Masken die gröbsten Brocken im Stoff hängen. Dann haben wir unseren Rotz vor der Nase, aber es ist unser Rotz und bei uns ist es eh schon zu spät. Was auf der anderen Seite der Maske rauskommt ist dann zumindest schonmal vorgefiltert. Ähnlich wie bei der Frenchpress zum Kaffee kochen: Es knirscht bei den billigen immer noch ein bisschen durch den Kaffeesatz, aber es weniger als wenn man einfach hofft, dass der Satz sich schon absetzen wird in der Tasse.

Warum bekommt man jetzt also besser Luft bei den Plastikteilen?

Naja, die Mühe, dass man die Luft durchsaugen oder drücken will, kann man sich sparen. Wie oben gelernt, geht da nix durch. Sieht einfach nur scheiße aus, wenn du wie so ein Putzfisch im Aquarium am Acryl hängst und jeder weiß auf den ersten Blick dass du ein Depp bist. Filtern ist auch nicht viel, weil wahrscheinlich auch keiner auf die Idee käme, in seiner Frenchpress das Sieb durch eine Plastikscheibe zu ersetzen. Bei idealer Abdichtung würde man mit dem Drücken nicht weit kommen. In der Realität würde es einfach in einer Sauerei enden, weil sich das Wasser irgendwo eine Lücke sucht. Damit ist der Güllespoiler eigentlich nur ein Spuckschutz und verliert bei der Filterung rein wie raus gegen den Stoff. Wo kommt dann aber die viel mehr und bessere Luft her? Na von außen. An der Maske vorbei. Ungefiltert. Sowohl das was ich ausatme wie auch das was ich von anderen einatme. Aerosole können nämlich, genau wie alles andere kleine in der Luft um die Ecke fliegen. Staub und Pollen schaffen es ja auch.
Wie sicher das ist wenn ich den Sabber von anderen einatme oder andere meinen Sabber einatmen, lasse ich jetzt einfach mal so stehen…

Wer’s jetzt noch nicht verstanden hat, der kann auch hier bei der Sendung mit der Maus schauen.

Ich mach schonmal mit dem nächsten Thema weiter…

Expertenrunde

Im Moment gibt es ja viele Menschen, die auf Menschen vertrauen, die auf YouTube oder Facebook oder einem Messengerdienst was zum Thema Corona gesagt haben. Meistens proklamieren diese Menschen für sich, dass sie Dinge kritisch hinterfragen und selber denken und sich nicht einfach irgendwas auftischen lassen. Deswegen auch hier wieder ganz entspannt an die Sache rangehen:

Grundlegend sollte man drüber nachdenken und kritisch hinterfragen, welche Qualifikation diese Experten haben. Ein Grundeinstieg wäre zum Beispiel, dass diejenigen was aus mit Medizin studiert haben und nicht nur im Internet einen Schnelltest mit Urkunde zum selber ausdrucken gemacht haben. Es würde ja auch niemand akzeptieren wenn jemand ohne jegliches Wissen zum Thema Fußball, das Spitzenspiel der Bundesliga kommentiert. Da stoßen schon die Profis oft auf viel Gegenliebe…

Es würde wahrscheinlich auch niemand auf die Idee kommen, bei seinem Klempner anzurufen, wenn eine Flüssigkeit aus dem Auto rausläuft. Okay, immerhin wäre in dem Fall erkannt worden, dass das Problem was mit einer Flüssigkeit zu tun hat und der Klempner auch was mit Flüssigkeit zu tun hat. Aber nur weil’s nass ist, würde ich jetzt nicht drauf vertrauen, dass ein Klempner das Problem am Auto auch lösen kann.

Warum aber dann im Internet Menschen ohne das kritisch zu hinterfragen, Menschen glauben, die sagen sie wüssten was sie tun, das erschließt sich mir nicht. Vor allem wenn sie das tun, weil sie sagen, dass sie alles kritisch hinterfragen.

Meinungsfreiheit

Auch bei der Meinungsfreiheit gibt es in Deutschland ja schon seit einiger Zeit immer mal wieder Missverständnisse. Wir haben inzwischen gelernt, dass Sätze, die mit „Das wird man ja noch sagen dürfen…“ nicht immer von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Was wir jetzt auch noch (wieder) lernen müssen ist, dass Meinungsfreiheit was anderes ist, als Handlungsfreiheit.

Ich kann zum Beispiel sehr wohl der Meinung sein, dass Tempo 30 vor Kindergärten ein totaler Mist ist und darf das auch sagen. (Finde ich persönlich natürlich nicht)
Aber nur weil ich der Meinung bin darf ich nicht mit 100 am Kindergarten vorbeikacheln. Können kann ich natürlich schon, aber das könnte unter Umständen sehr sehr dumm ausgehen.

In so fern finde ich die Diskussion über die Einschränkung der Grundrechte weil es stellenweise eine Maskenpflicht gibt, ziemlich albern. Klar ist es für manche lästig, aber das ist Tempo 30 vor dem Kindergarten für andere auch. Dran halten sollte man sich aber an beides, weil’s für Unbeteiligte sonst doof werden kann.

Oder wie vor über 200 Jahren ein Philosoph gesagt hat…

Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt

Immanuel Kant

Überhaupt sollte man sich in der Corona-Zeit wieder mehr mit Kant beschäftigen.

Eigenverantwortung

Ich mach mal mit Kant weiter

Sapere Aude – Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!

Kant

Auch da haben wir in den letzten Monaten gelernt, dass das einfach nicht klappt. Urvertrauen in die Menschheit, dass diese schon nicht so blöde sein kann, dass sie sich sich selber zu Tode infiziert. Einfache Regeln wie Abstand, Maske, weniger Kontakte hätten wir entspannt einhalten können. Kann sich das Virus nicht weiter verbreiten und neue Wirte infizieren, ist einfach Ende. Jeder der Plague Inc. gespielt hat, weiß das.

Warum auch immer, ist dieses relativ simple Konzept nicht überall angekommen. Experiment gescheitert, die Menschheit ist einfach nicht in der Lage auf sich selber aufzupassen.

Also auch nicht die ganze Menschheit sondern eher ein kleiner Bruchteil bekommt es nicht auf die Reihe. Dummerweise ist es eben wie immer: wenn ein Bruchteil Mist baut muss meistens der Rest auch gleich drunter leiden. In dem Fall zieht sich das leider quer durch. Jetzt dürfen die Gastronomen wieder dicht machen, weil ein Teil einfach keinen Bock hatte sich an die Regeln zu halten. Dummerweise sind es eben auch immer die, die Mist bauen, die dann groß in den Schlagzeilen stehen während die, die alles richtig machen und sich große Mühe geben hinten runterfallen und in Sippenhaft genommen werden. Ich verstehe den Frust dieser und anderer Branche, aber ähnlich wie bei renitenten Radfahrern, lauten Motorradfahrern oder Fußballfans mit fragwürdiger Gesinnung: Die Trolle, die es verbockt haben einfach ächten.

Und auch sonst, wo klar ist, dass die Kacke echt am dampfen ist und wir’s hier noch echt harmlos erwischt haben: Mir fehlt das Verständnis wie man immer noch seinen egozentrischen Stiefel durchziehen kann.

Protest-Atteste

Atteste gegen Maskenpflicht sind scheinbar das neue protestieren gegen den Staat. Ausgestellt vom Klempner fachkundigen Arzt des Vertrauens, bescheinigen sie auf verschiedene Arten und Weisen, dass der Besitzer keine Maske tragen muss, weil er aus gesundheitlichen Gründen keine tragen kann. Nicht falsch verstehen, es gibt Menschen, die das einfach nicht können. Und auch die, die nicht müssten, aber denen ihre Gesundheit eindeutig lieber ist.
Und dann gibt es die, die einfach dagegen sind. Aus Prinzip und Trotz und weil Meinungs- und Handlungsfreiheit durcheinander gebracht werden.

Attest statt Demo. Kannste dir nicht ausdenken…

Soziale Kontakte

Wir wissen jetzt nach fast 9 Monaten, dass es kacke ist seine Freunde nicht zu sehen. Dass es unglaublich toll ist, wenn man „in echt“ mal jemand anderen sieht außer den Partner, Mitbewohner oder die Arbeitskollegen. Wie sehr es einem fehlen kann, ungezwungen spontan in den Biergarten zu gehen oder sich in der Stadt auf nen Kaffee zu treffen. Und dass virtuelle Treffen das nur unzureichend ersetzen können.

Ich freu mich, wenn ich meine positiv bekloppte Truppe von der Tupperware-Fraktion endlich mal wieder live sehen kann und geistig komplett abstürzen kann.

Womit wir schon beim letzten Punkt angekommen sind…

Selbstverständlichkeit

Wir haben ganz schnell gelernt, dass viele Dinge, die wir für selbstverständlich bis März hingenommen haben, gar nicht selbstverständlich sind.

Natürlich trifft es manche mehr und manche weniger. Kultur und Gastronomie hat es echt hart getroffen. Wer weiß, ob die sich in der Form davon jemals wieder erholen werden.

Für viele andere dürfe der Grad der Einschränkung eher in die Kategorie „unangenehm“ fallen. Wir müssen uns alle ein bisschen einschränken, Rücksicht nehmen und aufpassen, aber es ist jetzt nicht so, dass die Infrastruktur und Versorgung zusammengebrochen ist. Diese Woche gab es zumindest noch was zu Essen im Supermarkt. Und die Bäcker haben auch noch auf. Ich will auch ehrlichgesagt nicht wissen, was passiert, wenn’s mal wirklich haarig wird.

In so fern bin ich eigentlich nicht sonderlich interessiert daran, noch mehr tolle, neue, spannende Dinge über die Menschheit zu lernen. Mir reicht das jetzt erstmal.

Bleibt da draußen aber bitte trotzdem vorsichtig, haltet Abstand und versucht gesund zu bleiben.

Und das Review?

Stimmt, ich wollte ja ein Review machen also muss ich ne Bewertung machen:
Diese Pandemie bekommt von mir einen halben von fünf Sternen.

Der Plot ist ziemlich abgedroschen und vorhersehbar. Die Realität stellt sich hier leider noch dümmer an als Hollywood sich das ausdenken konnte. Fortsetzung davon brauch ich auf jeden Fall nicht.

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