Fleischtheke, Freitag Mittag
Wenn es einen Place-To-Be in Zeiten von Corona gibt, dann ist es ab heute die Fleischtheke des örtlichen Supermarkt.
An einem Freitag.
Mittags um halb 1.
Wenn am Samstag Feiertag ist.
Sozusagen ein Himmelfahrts-Kommando um die bayrische Wurstspezialität für’s Abendessen zu ergattern.
Hier trifft nämlich alles zusammen, was normalerweise nicht zusammen gehört und auf keinen Fall gleichzeitig einen Supermarkt betreten sollte:
Mütter beim Wochenend-Einkauf, Studenten zur Bestückung des Kühlschrank und Grills, Rentner für das Gefühl des sozialen Kontakts. Die Schlange an der Wurst- und Fleischtheke ging durch den halben Laden, aber ich war entschlossen meine Wurst abzubekommen.
Clevererweise war ich vorher mit langem Hals schauen ob es das was ich will auch gibt.
Ich habe mich also, gefühlt, in einem mittleren zweistelligen Bereich der Warteschlange angestellt und das flehentliche Rufen des Fischverkäufers neben mit stoisch ignoriert, ob denn jemand frischen Fisch haben wolle. Ich wäre in keinster Weise überrascht gewesen, wenn eine Prügelei gallischen Ausmaßes ausgebrochen wäre… Aber ich wollte meine Wurst.
Die rückte langsam in Reichweite und in meinem Kopf wurde die Warteschleifen-Musik von einem „Die nächste freie Fleischereifachverkäuferin ist gleich für Sie verfügbar“ unterbrochen. Ein schimmer Hoffnung, doch noch den Laden verlassen zu können, bevor die Gallier kommen.
Und dann kam er. Der ältere Herr vor mir. Der Warentrenner zwischen mir und meiner Wurstfee. Die letzte Hürde vor meiner Bestellung.
Derjenige, der auf die Frage „Was kann ich für Sie tun?“ nur antwortet „Ich muss erst guck…“ und Richtung des anderen Endes der Theke wedelt. Drei Wägen und fünf Personen entfernt, die selber noch damit beschäftigt sind zu klären, ob der Bierschinken so jetzt okay ist und ob man nicht doch das andere Ende der groben Leberwurst haben möchte.
Stille. Und Ratlosigkeit. Sowohl in der Schlage als auch bei der Verkäuferin und ihrer Kollegin, die fragt wer der nächste ist und eben die selbe Antwort bekommt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Auslöser der gallischen Keilerei jetzt nicht mehr der frische Fisch sondern etwas ganz anderes sein wird…
Ich bin mir auf jeden Fall sicher, dass das eine längere Geschichte werden könnte und bin froh, dass ich schon was gegessen habe. Weiter vorne verkeilen sich jetzt auch noch die Wägen der Wurst- und der Fleischkunden. Der Weg zum Aufschnitt ist also auch noch eine Sackgasse.
All das ändert aber nichts an der weiter vorherrschenden Ratlosigkeit auf beiden Seiten des Flatterbandes, das Kunden und Verkäufer auf Abstand hält. In solchen Situationen braucht es dann einfach einen Helden. Oder in diesem Fall ein Heldin. Oder es hat hinter mir schon jemand den Fisch ausgepackt um zuzuschlagen. Auf jeden Fall hat sich eine Verkäuferin ein Herz genommen, den älteren Herrn links liegen gelassen und ist ein paar Meter die Theke runter ins Fischland und hat mich gefragt was ich bekomme:
Weißworscht und Gelbworscht.
Nickte und ging das gewünschte einpacken. Also fast. Vom anderen Ende der Theke brüllte es dann nämlich „100 oder 150 Gramm?“.
Ich bin mir sicher, die Kunden an der Fleischtheke wissen jetzt auch, dass ich 150 Gramm haben will… Es lässt sich halt so schlecht dosieren. Mit MNS und auf 20 Meter in einem vollen Laden.
Immerhin hatte ich mein Abendessen. Und ich glaube so ganz wollte der ältere Herr dann doch nicht auf sich sitzen lassen, dass die Kunden hinter ihm schneller bedient wurden als er nur weil er noch guck musst. Im Weggehen habe ich dann doch gehört, wie er die Verkäuferin gefragt hat, ob sie noch eine bestimmte Sorte Aufschnitt hätten.
Ich hoffe sehr, er hat sie noch bekommen, bevor die Gallier in den Laden eingefallen sind…
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