Drachenväter, Monster und Kellerkinder

Ich wurde mit Vampire sozialisiert.

Damals, als Vampire noch cool waren und nicht in der Sonne geglitzert haben. Ja, dem Rollenspiel und nicht das digitale, eigentlich nie fertig gewordene Computerspiel.

Ich darf also über so Sachen wie „Würfel anfassen“ lachen, weil ich es aus erster Hand kenne. Weil ich lange Jahre einen Sabbat-Brujah gespielt habe, der eine seltsame Vorliebe für kleine gepanzerte Autos und Dummheiten hatte und am Ende ein eher unwürdiges Ende im Staubsaugerbeutel erlebt hat.

Ich kenne es also, wenn man nach 8 Stunden im Morgengrauen irgendwo rauswankt, einen dicken Kopf hat, nichts getrunken hat und trotzdem einen sehr genialen Abend hatte.

Drachenvaeter

Das dürfte wohl der Grund sein, warum ich eigentlich nur sehr kurz überlegen musste, warum ich mir ein Buch zur Geschichte der Rollenspiele kaufen sollte. Auch wenn der Preis für das Hardcover (Mit Lesenbändchen!) und die Leseprobe beim Online-Händler eher abschreckend waren, habe ich dann doch zugeschlagen.

Bereut habe ich die 42 € für’s Hardcover dann nicht.

Es geht um Rollenspiele. Besser gesagt, den Urvater der Rollenspiele: Dungeons & Dragons. Wo kommt es her, was hat es beeinflusst, welche Bücher sollte man unbedingt aus dem Bereich Fantasy gelesen haben um da mitreden zu können. Viele Gesprächen während des Lesens mit Papiergeflüster, die ja sichtbarerer Fantasy-Fan ist, begannen also von meiner Seite mit einem faszinierten

Oh, wusstest du, dass…

gefolgt von einem Fakt über Tolkien oder Lovecraft oder einem sonstigen Fantasy-Autor, den man laut Buch unbedingt gelesen haben sollte. Von der Liste der Must-Haves kannte sie fast keinen. Was ich weniger ihr als viel mehr der Fixierung des Buches auf den amerikanischen Markt zur Last lege.

Aber zurück zum Buch. Es braucht eine Weile. Fast 30 Seiten Tolkien stehen vor dem Erlebnis Rollenspiel. Und auch wenn das Buch reichlich bebildert ist, es braucht eine ganze Weile um in Schwung zu kommen. Das zentrale Kapitel hätte man dann auch „Aufstieg und Fall von D&D“ nennen können und die Geschichte würde wohl alleine schon einen guten Fanatsy-Roman um Macht und Intrigen abgeben.

Was sich in einem deutschen Buch über Rollenspiele natürlich nicht vermeiden lässt, ist das Thema DSA. Da ich erst vor kurzem am Gratisrollenspieltag einen sehr interessanten Vortrag von einem Insider gehört habe, habe ich natürlich gehofft, dass man dort erworbenes Wissen noch ein bisschen mit Leben unterfüttert wird. Ich habe DSA selber nie gespielt und es reizt mich auch bis heute nicht. Leider kam das irgendwie nicht viel. Die zentrale Meta-Storyline, die, soweit ich das vor ein paar Wochen richtig verstanden habe, sehr wichtig für DSA ist, wird nicht einmal erwähnt. Auch neuere Entwicklungen fehlen scheinbar.

Auch der Übergang nach Digitalien und was es dort so alles gibt, kam mir ein bisschen kurz. Ich weiß jetzt natürlich, und es amüsiert mich schon ein bisschen als Ex-Spieler, dass Ingress bei genauerer Betrachtung nicht sonderlich innovativ ist sondern auf den D&D-Konzepten von 1974 basiert. Dass moderne Rollenspiele alle von dem Pen&Paper-System erben, war mir auch klar. Allerdings kommen wir dann langsam in einen Bereich, in dem ich mich dann auch auskenne. Natürlich sind die Elder Scrolls-Rollenspiele so offen, dass man sich locker darin verlieren kann. 44 Stunden Skyrim nach denen ich einfach „aufgehört“ habe ohne wirklich tief eingetaucht zu sein, sprechen für sich. Und ja, das ist wenig. Allerdings ist man hier nicht so frei wie einem das Buch das vermitteln möchte. Man muss doch seinem Pfad als Dovahkiin folgen, sonst gibt’s nix zu holen.

Ähnlich unscharf verhält es sich bei Warren Spectors Deus Ex: Die Aussage, man müsse am Ende die Gegner töten, kann man so auch nicht stehen lassen. Schon im ersten Teil gab es aus genau diesem Grund die Stungun und die Betäubungspfeile. Auch im neuen Ableger kann man alle Gegner umschleichen (Es gibt dafür, glaube ich, sogar ein Achievment) bis auf die Endbosse. Gerade das war ein großer Kritikpunkt bei Human Revolution. Warum kann ich alles umschleichen und ablenken, muss aber die dicken Gegner einfach tumb mit Blei belegen? Aber das nur am Rande…

Letztlich muss ich eingestehen, dass ich auch nach lesen des Buches nicht ganz verstanden habe, wie D&D funktioniert. Dunkel zusammenreimen kann ich mir schon, dass man in den Keller geht, Tür auf, Würfeln, Schatz oder Monster?, Kampf, nächste Tür… Also ein bisschen wie Munchkin. Da kann ich mir gut vorstellen, dass das auf Dauer öde wird. Wie schon eingangs erwähnt, wurde ich eher mit narrativen Rollenspielen sozialisiert.
Ironischerweise habe ich dank des Kurzabschnitts über Call of Cthulhu endlich verstanden wie das Spiel tickt.

Zum Buch selber, dem physischen, muss ich auch noch ein paar Worte verlieren. Nach dem auspacken hat es ein paar Tage echt herb gemüffelt. Keine Ahnung was da gemüffelt hat, aber es hat sehr nach Kopfschmerz gerochen. Es war sogar kurz davor vom Nachttischlesestapel verbannt zu werden.

Bei den Bildern dachte ich in der Leseprobe erst, sie würden so aussehen, weil es eben alte Cover sind und das einfach nur schlechte Scans wären. Im Buch selber wurde es aber nicht besser. Ja, ich bin Bilderfetischist. Und dieses Buch ist sehr bildlastig. Wahrscheinlich liegt es daran dass es eben nur „normales“ Papier ist und nichts was für Bilder oder ähnliches optimiert ist. Auch die Schrift wirkt, am Anfang, unscharf. Gefördert wird das ganze dann noch durch die Überschriften mit Farbverlauf. Vielleicht bin ich da zu sehr Schriftpurist, aber was ich falsch an einer Farbe? So wollten meine Augen teilweise von der Schrift weglaufen.

Was bleibt also als Fazit?

Es ist ein sehr interessantes Buch, dass sich sehr flüssig und leicht lesen lässt. Außer einer gewissen Affinität zum Thema Fantasy und Rollenspiele braucht es eigentlich keinerlei Voraussetzungen. Den Anspruch, den Aufstieg des Rollenspiels von der preussischen Kriegssimulation bis zum modernen AR-Spiel nachzuzeichnen würde ich so wahrscheinlich nicht voll mittragen. Ein paar Aspekte fehlen mir da einfach, wie oben schon erwähnt. Lesenswert ist es auf jeden Fall wenn man wissen will, wie diese ganze Fantasy-Nummer anfangen hat. Die Geschichte wie ein Standardwerk wie Herr der Ringe überhaupt erst zu dem geworden ist, was es heute ist: Unglaublich interessant.

Aber so ist es wahrscheinlich immer, mit fanlastigen Dingen: Irgendwas kommt eben nach Meinung einiger immer zu kurz.

Für die Autoren freue ich mich trotzdem, dass die erste Auflage scheinbar weg ist.

Drachenväter

Tom Hillenbrand, Konrad Lischka
Verlag Monsenstein und Vannerdat

360 Seiten, Hardcover
ISBN 3956451155

42 €

Gibt es auch gleich hier und hier zu kaufen… Oder eben beim freundlichen Buchhändler um die Ecke.

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